Mein Weg in die Hochschule
Janna Voigt ist 28 Jahre alt und hat Ende August ihren Master in Sozialer Arbeit an der Hochschule Emden/Leer in Niedersachsen mit dem Schwerpunkt Gesellschaftlicher Zusammenhalt erreicht. Dass sie einmal einen Studienabschluss in der Tasche haben würde, hätte sie selbst nicht gedacht. Zwar wollte sie als Kind immer Lehrerin werden, doch standen die Zeichen nicht auf Studium. Janna ist ein sogenanntes Arbeiterkind. Das heißt, ihre Eltern haben nicht studiert. Zudem hatte Janna als Schülerin mit einer diagnostizierten Dyskalkulie, also einer Rechenstörung, zu kämpfen, was zu einer Realschulempfehlung führte. Da sie jedoch nach ihrem Schulabschluss keinen Praxisplatz für die Ausbildung zur Erzieherin fand, besuchte sie zunächst aus Ratlosigkeit – eine Förderklasse für Realschüler:innen auf einem Gymnasium. Ein Glücksgriff! Dort traf sie auf engagierte und interessierte Lehrer:innen, die ihr Potenzial sahen, sie förderten und viel Zeit in ihre persönliche Entwicklung investierten. Janna schaffte das Abitur und bekam so die Chance zu studieren. Sie entschied sich für den Studiengang Soziale Arbeit: „Ich wollte schon immer Menschen helfen, über sich selbst hinauszuwachsen, und sie darin unterstützen, ihr Leben zu bewältigen und zu verbessern. Meine Eltern haben mir zudem ein tiefes Bewusstsein für Gerechtigkeit mitgegeben. Ich war schon als Kind und Jugendliche in der Kinderkirche, in der Leitung von Jugendgruppen im Sportverein oder auf dem Schulhof engagiert.“ Auch wenn sich Janna an der kleinen Campushochschule in Emden/Leer sehr wohlfühlte, dauerte es einige Zeit, bis sie das Gefühl hatte, hier sein zu dürfen. Viele ihrer Kommiliton:innen fanden sich in der akademischen Welt besser zurecht, gingen selbstverständlicher mit ihr um und hatten einen entsprechenden Hintergrund in ihrer Familie. Für Janna war dies alles nicht selbstverständlich. Die Sorge um die Studienfinanzierung und die gleichzeitige Auseinandersetzung mit den Inhalten des Studiums empfand sie als eine große Herausforderung. Es waren wieder gute Kontakte zu den Professor*innen und deren stete Ermutigung, die ihr dabei halfen, sich einzuleben und ihre soziale Herkunft bald nicht mehr als Makel zu empfinden. Geholfen hat ihr auch „ArbeiterKind.de“. Janna hat während ihres Studiums öfter die Webseite der Initiative besucht, um sich rund ums Studium zu infor- mieren. Es half ihr zu wissen, dass auch andere die Ersten in ihrer Familie waren oder sind, die studier(t)en, und genau dieselben Fragen, Zweifel, Sorgen, aber auch Hoffnungen und Träume rund ums Studium haben. In ihrem Master-Studium machte sie ihren Schwerpunkt Gesellschaftlicher Zusammenhalt zu ihrem Lebensmotto. Sie wollte ihre persönlichen Erfahrungen mit den Herausforderungen und Hürden als Studierende aus einer nicht-akademischen Familie weitergeben und damit anderen den Studieneinstieg und das Zurechtfinden im Hochschul-Dschungel erleichtern. So kam sie 2019 auf die Idee, in Emden die lokale ArbeiterKind.de-Gruppe wieder ins Leben zu rufen, die dort bis 2015 bereits existiert hatte. Sie hat die Gruppe neuerlich aufgebaut. „Janna hat das Talent, Menschen zusammenzubringen und für die gute Sache zu begeistern. Mit vielen kleinen Dingen hat sie dafür gesorgt, dass sich Neu-Engagierte willkommen und wohl fühlen, dass sie sich für die Sache begeistern und dauerhaft mitmachen“, beschreibt sie Anika Werner, ArbeiterKind.de-Bundeslandkoordinatorin für Niedersachsen und Bremen. ArbeiterKind.de lebt vom Mitmachen, vom ehrenamtlichen Einsatz der Engagierten – wie Janna in Emden –, die in Schulen, auf Messen und in persönlichen Gesprächen mit Schüler*innen, Studierenden und Ratsuchenden ihre eigenen Studienerfahrungen weitergeben und so Mut machen. Ihr Engagement bei ArbeiterKind.de und die Organisation selbst haben Janna sehr geprägt: „Ich hatte stets das Gefühl, das ist mein soziales Netz. Hier darf ich geben und nehmen. Ich habe sehr viel Wertschätzung erfahren, Freundschaften gefunden. Das hat mir dabei geholfen, meine Stärken mehr in den Fokus zu rücken und weiterzuentwickeln.“ Janna Voigt beginnt im Oktober einen neuen Job. Sie ist die neue Bundeslandkoordinatorin für ArbeiterKind.de in Niedersachsen und Bremen. Janna wechselt hiermit vom Ehrenamt ins Hauptamt. „Ich bin sehr dankbar, dass ich das, was mich persönlich antreibt, nun auch zu meinem Beruf machen darf und damit auch noch Geld verdiene. Ich freue mich darauf, die Ehren- amtlichen zu unterstützen, sie zum Mitmachen anzuregen, so wie das haupt- amtliche Team von ArbeiterKind.de stets mich ermutigt und begleitet hat.“ Julia Munack ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit bei ArbeiterKind.de