Mein Weg in den Bundestag

Warum hast du begonnen, dich politisch zu engagieren?

Ich bin durch meine Eltern schon früh mit Politik in Kontakt gekommen. Bei uns wurde immer am Esstisch über Politik diskutiert, und ich hatte immer ein großes Bedürfnis nach Gerechtigkeit. Meine Mutter ist, seit ich klein war, Mitglied der SPD. Sie hat sich immer viel im Ortsverein engagiert, war Ortsvereinsvorsitzende und ist Mitglied im Stadt- rat. Durch sie war ich von klein auf mit der Partei in Kontakt und habe bei Veranstaltungen und im Wahlkampf geholfen. Ich selbst habe mich dann mit 16 Jahren im ersten Jugendparlament meiner Stadt engagiert, weil ich etwas für junge Menschen vor Ort bewegen wollte. 2016 bin ich dann auch endlich selbst in die SPD eingetreten. Von 2019 bis 2020 habe ich dann in den USA gelebt und dort sehr deutlich erlebt, was die politischen Unterschiede zwischen Deutschland und den USA sind (zu der Zeit war Donald Trump Präsident). Da habe ich mir fest vorgenommen, mich wieder mehr in die Politik, wenn auch erst mal nur vor Ort, ein- zubringen. Die Rechte, die wir in Deutschland haben, und unser ganzes Sozialsystem sind nicht selbstverständlich. Auch die Europäische Union ist nicht selbstverständlich. Dafür muss man auch heute noch kämpfen, und dafür braucht es engagierte Menschen in der Politik. Dass ich dann die Möglichkeit hatte, für den Bundestag zu kandidieren, und es letztlich auch bis dorthin geschafft habe, ist für mich bis heute immer noch nicht ganz greifbar.

Wann ist bei dir der Wunsch/ Gedanke aufgekommen, dich für den Bundestag aufstellen zu lassen? Wie war der Prozess dahin? Gab es einen aus- schlaggebenden Grund, dass du dich entschieden hast, nicht mehr „nur“ ehrenamtlich im Hintergrund zu arbeiten, sondern es „selbst zu machen“?

Der Gedanke, selbst für den Bundestag zu kandidieren, kam mir gegen Ende des Jahres in 2021. Wir haben im Sommer unseren Kandidaten für den Landtag aufgestellt, den ich auch im Wahlkampf unterstützt habe. Das war das erste Mal, dass ich so nah an einer Kampagne dran war. Leider konnte er aus beruflichen Gründen nicht den Einsatz bringen, den ich mir gewünscht hätte. Ich lebe in einer sehr konservativen Ecke von Deutschland, und als SPD hat man es hier nicht ganz so leicht. Man muss also kämpfen und großen Einsatz zeigen, und selbst dann ist es nicht garantiert, dass man damit erfolgreich ist. Im Herbst 2021 habe ich mich auch noch „Brand New Bundestag“ als Volunteer angeschlossen, um andere Kandidierende im Wahlkampf zu unterstützen. Dadurch habe ich viele tolle engagierte Menschen kennengelernt, die mich inspiriert haben.

Und dann ging es los?

Beinahe. Ich habe angefangen zu fragen, wer eigentlich für den Bundestag kandidiert. Dazu muss man sagen, dass wir seit 16 Jahren niemanden mehr für die SPD im Bundestag hatten. Die Aussichten waren nicht sehr gut, und dem- entsprechend war die Motivation nicht sehr groß. Ich wollte gerne, dass jemand Junges und Weibliches kandidiert. In der Zeit wurde ich dann immer wieder gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, selber zu kandidieren. Das war für mich zu dem Zeitpunkt total absurd. Aber ich habe angefangen, mich damit mehr auseinanderzusetzen, und irgendwann war klar, ja, ich mache das! Im Prozess da- hin war aber auch klar, dass, wenn ich kandidiere, ich das mit voller Überzeugung und vollem Einsatz mache.

Hast du schon vor deinem Engagement bei „Brand New Bundestag“ mit dem Gedanken gespielt, selbst in die Politik zu gehen?

Für mich war immer klar, dass ich mich politisch engagiere, allerdings eher im Hintergrund oder vielleicht im Stadtrat oder dem Ortsbeirat. Dass ich irgendwann in der ersten Reihe stehe, hätte ich mir zum damaligen Zeitpunkt nicht vorstellen können. Für mich war die Entscheidung, selbst zu kandidieren, auch eine große Überwindung.

Hattest du das Gefühl, mit deinem zivilgesellschaftlichen Engagement an Grenzen zu stoßen, die du „nur“ aus dem Parlament heraus überwinden kannst?

Zivilgesellschaftliches Engagement findet auf sehr vielen Ebenen statt, die die Politik nicht abdecken kann. Es muss deshalb nicht immer um den ganz großen Wurf gehen, um einen Unterschied zu machen. Menschen, die Senior:innen besuchen, oder Trainer:innen, die ein Jugendteam leiten, leisten einen großen Beitrag für die Lebensqualität der Menschen. Deshalb glaube ich, dass sich Politik und zivilgesellschaftliches Engagement nicht widersprechen, sondern ineinandergreifen.

Was gibst du Menschen mit, die mit dem Gedanken spielen, sich (politisch) zu engagieren?

Es kostet im ersten Moment einiges an Überwindung, sich für die eigenen Überzeugungen einzusetzen und dafür einzustehen. Aber: Es lohnt sich! Wichtig ist für mich, Dinge auf meine eigene Art anzugehen. Dadurch weiß ich, was mir wichtig ist, und welche Anliegen ich unterstütze. Sobald der innere Kompass die Richtung anzeigt, geht es darum, aus Überzeugung aktiv zu werden und am Ziel anzukommen. Aber vor allem ist wichtig: Traut euch! Springt über euren Schatten, wenn es sein muss, und steht für eure Überzeugungen ein.

Das Interview führte Maja Bisanz. Sie ist Koordinatorin für Kommunikation bei Brand New Bundestag.

Seit September 2021 ist Lena Werner Teil der SPD-Bundestagsfraktion für den Wahlkreis 202 Bitburg (Eifel Mosel). Dort ist sie Mitglied im Ausschuss für Tourismus und im Wirtschaftsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Angelegenheiten der europäischen Union.