Finanzierungsquellen für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen

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Quelle: StoryDE_HERO_fase

 

Sozialunternehmer brauchen Investoren, um ihre Idee zu skalieren. Anleger, die nicht nur eine finanzielle Rendite anstreben, sondern auch die Gesellschaft weiterbringen möchten, suchen funktionierende Geschäftsmodelle. Die Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE) versucht, beide Seiten zusammenzubringen. Funktioniert das?

Als der Österreicher Gregor Demblin 1995 am Strand von Griechenland mit einigen Schulkameraden sein Abitur feiert, verändert ein Kopfsprung ins flache Meer sein Leben. Er stößt auf Sand. Schnell steht fest: Ab dem 5. Halswirbel ist er gelähmt und wird Zeitlebens auf den Rollstuhl angewiesen sein.

Gregor Demblin braucht ein Jahr, bis er sich soweit erholt hat, dass er ein Studium der Philosophie in Wien aufnehmen kann. Fünf Jahre dauert es, bis er seine Einschränkung als bleibend akzeptiert hat. Danach bewirbt er sich und stellt schnell fest: Es ist schwierig, überhaupt als Bewerber vorgelassen zu werden. Und eine große Herausforderung, sich – im Rollstuhl sitzend – als starker Mitarbeiter zu präsentieren. In den meisten Gesprächen steht nicht sein Können im Vordergrund – sondern sein Nicht-Können.

Erst 2001 trifft er auf den Chefredakteur eines Wein und Sommelier-Magazins, der ihn als Redakteur einstellt. „Er hat mein Potenzial gesehen, nicht meine Schwächen“, erzählt Demblin. Mit ihm gründet er zwei Jahre später sein erstes gemeinnütziges Unternehmen. Die Internetplattform Motary, die Produkte für Menschen mit Bewegungseinschränkung vertreibt und entwickelt. 2009 dann die nächste Gründung: Zusammen mit Wolfgang Kowatsch, dem Geschäftsführer von careesma.at, startet er die Job-Initiative Career Moves. „Ich wollte einerseits Unternehmen die Chance geben, ihre Arbeitsplätze – behindertengerecht und nicht behindertengerecht – zu veröffentlichen. Andererseits ging es mir darum, meine Erfahrungen und mein Learning aus der Bewerbungsphase anderen Menschen zur Verfügung zu stellen“. Wieder finanziert er seine Plattform aus eigenen Mitteln. Ein gemeinnütziger Einsatz, mit gesellschaftlichem Nutzen.

„Die Bereitschaft der Unternehmen ist groß, behindertengerechte Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen“, erzählt Demblin: „Aber sie wissen nicht genau, welche Auflagen sie zu erfüllen haben, welche Fördergelder sie bekommen können, welche Arbeitsplätze passend sind und wie die Mitarbeiter mit besonderen Anforderungen integriert werden können.“ Da ist offensichtlicher Beratungsbedarf. Gregor Demblin gründet mit drei Freunden sein drittes Unternehmen, DisAbility Performance Social Enterprise. Er gehört dem Ashoka-Netzwerk an, über das er Kontakt zur Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE) bekommt. Mithilfe dieser Organisation stellen ihm Impact Investoren in diesem Jahr 330.000 Euro zur Verfügung.

Im März 2013 hatte private wealth bereits über das geplante Engagement von FASE berichtet. Das Unternehmen ist eine Tochter der gemeinnützigen Ashoka-Initiative, die weltweit die Gründungspersönlichkeiten hinter neuen sozialen Organisationen, Unternehmen und Bewegungen aufspürt – und sie dabei unterstützt, als Sozialunternehmer selbstständig zu werden. Das Problem: „Nur ein kleiner Prozentsatz der Firmen ist für private Investoren interessant. Bei die meisten ist das Risiko im Verhältnis zur dafür in Aussicht gestellten möglichen Rendite zu groß“, erklärte damals Felix Oldenburg, Geschäftsführer von Ashoka Deutschland: „Sie werden, wenn sie nicht rechtzeitig die für sie passende Finanzierungsquelle finden, wieder vom Markt verschwinden. Und damit würden der Gesellschaft viele wertvolle und langfristig möglicherweise auch sehr profitable Ideen verlorengehen.“ Damit sich das ändere, meint Oldenburg, müssten sich alle potenziellen Finanziers zusammentun – Spender, Fremdkapitalgeber und Investoren mit Eigenkapital. „Wenn sie dann neue, intelligente Methoden der Finanzierung nutzen, lässt sich die Finanzierungslücke überspringen.“ Um dies zu erreichen, wollte Oldenburg eine offene Plattform für soziale Unternehmer schaffen, auf der die unterschiedlichen Finanziers zusammenkommen. Eine Art soziale Finanzagentur: FASE

„Mittlerweile hat FASE neun Transaktionen erfolgreich abgeschlossen und dabei rund 3 Millionen Euro an neuem Kapital in den Sektor gebracht“, erzählt Geschäftsführerin Ellinor Dienst. Dienst weist ebenfalls eine – im Bereich der Sozialunternehmer - typische Biografie auf. Nach zehn Jahren im Marketing der Luxusindustrie hat sie eine Art Sinnkrise. „Ich habe da Dinge mit Herzblut vermarktet, die nach einem halben Jahr nur deshalb vom Markt genommen werden, weil sie nicht dem neuesten Trend entsprechen. Heute verdiene ich ein bisschen weniger Geld, bekomme aber auf anderer Ebene sehr viel mehr zurück.”

Konkret bearbeiten Dienst und ihre Kollegen das Problem von zwei Seiten her. Ein Teil ihrer Aufgabe ist der Aufbau einer Datenbank mit potenziellen Investoren, die bereit sind, in einer sehr frühen Phase Direktinvestments in Sozialunternehmen zu tätigen. „Mittlerweile sind das schon 280 Privatpersonen, Firmen oder Stiftungen.“ Die Motivation dieser Kapitalgeber sei sehr unterschiedlich. „Einige wenige sagen: Im aktuellen Niedrigzinsumfeld kann ich ohnehin nicht mehr viel verdienen, also ist der gesellschaftliche Impact meine Rendite. Die meisten haben ihr Vermögen aber ohnehin längst gemacht und wollen jetzt etwas zurückgeben. Und als Unternehmer liegt ihnen das unternehmerische Investieren näher als eine Spende“.

Wer mit diesem Gedanken spiele, könne unverbindlich den regelmäßig erscheinenden Newsletter von FASE abonnieren „Dann wird er automatisch über jeden Deal informiert. Er kann die weitere Entwicklung eines Sozialunternehmers auch begleiten, ohne tatsächlich aktiv in Erscheinung zu treten. Das passiert übrigens oft – auch Kapitalgeber wollen erst lernen, bevor sie investieren“, erläutert Ellinor Dienst. Neu sind die kostenlose Webinare von FASE, die Basiswissen zum Hineinschnuppern ins Impact Investing bieten.

Der zweite Teil ist die Arbeit mit den Sozialunternehmern. „Wir beraten sie konkret mit dem Fokus darauf, die Anforderungen der Investoren zu erfüllen“. Dazu gehöre die Entwicklung eines tragfähigen Geschäftsmodells. Antworten auf die Frage zu finden, wie tragfähig das Modell langfristig ist und welche Renditen sich erzielen lassen. Und dann natürlich die Abschätzung des nötigen Kapitalbedarfs. „Als Gregor Demblin 2014 auf uns zu kam, konnte er sich zum Beispiel nicht vorstellen, wie sein Geschäftsmodell ökonomisch tragfähig werden könnte“, erzählt Ellinor Dienst. „Unsere Aufgabe war es, ihn beim Erstellen des Business Plans samt Investitions- und Finanzierungsplan zu coachen.“ Und Gregor Demblin erzählt: „Wir hatten zwar eine ungefähre Vorstellung davon, wie das Geschäftsmodell funktionieren könnte, haben aber total unterschätzt, was es bedeutet, eine Investment-Readiness herzustellen und die passenden Investoren zu suchen.“ Ein bisschen hat der Österreicher auch gezögert, bevor er sich an FASE wandte. „Schließlich mussten wir ja Geld in die Hand nehmen“. Bei FASE sind das in der Regel 5% von der vermittelten Finanzierungssumme als Erfolgsgebühr.

Rund zwanzig realistische Anfragen erhält die Finanzierungsagentur jährlich. ‚Realistisch‘ ist eine Anfrage in unseren Augen erst, wenn drei zentrale Kriterien erfüllt sind: Die Unternehmen müssen belegen, dass ihr Geschäftsmodell bereits soziale Wirkung erzielt hat. Zweitens müssen die Produkte skalierbar sein. Und es muss bereits einen Proof of Concept geben. „Etwa, indem erste Kunden oder Interessenten für das Geschäftsmodell gewonnen wurden“, erklärt Ellinor Dienst. „Weil Investoren kein Geld geben, wenn nicht klar ist, dass der Markt das Angebot annimmt.“

Die Disability Performance Austria von Gregor Demblin hatte bei Kontaktaufnahme mit FASE bereits erste Gespräche mit Unternehmen geführt, die sehr gut liefen. Die soziale Wirkung seines Angebots konnte er gut belegen. Nun galt es, den Finanzbedarf zu ermitteln und die passende Finanzierungsstruktur zu finden. „Meist empfehlen wir eine hybride Struktur. Denn Sozialunternehmer firmieren zunächst in der Regel als gemeinnützige GmbH, die sich über Spenden finanziert. Wir gründen dann eine kommerzielle Gesellschaft aus, um Überschüsse generieren zu können, die für die Zahlungen an die Investoren verwendet werden“, erklärt Ellinor Dienst. Die Spenden fließen weiterhin in die gemeinnützige Struktur und werden nicht zur Rückzahlung der Finanzierung verwendet. „Das muss strikt getrennt werden, das ist den Spendern enorm wichtig.“ Im Fall von Gregor Demblin, finanziert sich die Jobplattform Career Moves größtenteils durch öffentliche Förderungen, während sich DisAbility Performance Social Enterprise über Umsätze durch Leistungen aus der Unternehmensberatung finanziert.

Als das Konzept von Gregor Demblin steht, durchsucht Ellinor Dienst ihre Datenbank nach den Präferenzen der registrierten Investoren – und schickt eine E-Mail an passende Kapitalgeber. Signalisieren sie Interesse, erhalten sie weiterführende Informationen. Möchte sich der Kapitalgeber von der Persönlichkeit eines Sozialunternehmers überzeugen, arrangiert FASE ein Treffen.

Die Finanzierungszusage, die Gregor Demblin auf diesem Weg gefunden hat: Der Stiftungsfonds BonVenture hat Genussrechtskapital in Höhe von 330.000 Euro über eine Laufzeit von fünf Jahren gezeichnet, das mit einer qualifizierten Nachrangabrede und einem Wandlungsrecht strukturiert wurde. Ein vorab definierter Anteil der Umsätze wird über die Laufzeit an die Investoren gezahlt, was einer variablen, umsatzabhängigen Vergütung entspricht. Zudem wurde eine einmalige Endvergütung in Abhängigkeit der vorab gezahlten Tilgung festgelegt, um die Zielrendite von vier bis sechs Prozent sicher zu erreichen. „Für den Sozialunternehmer ist das eine sehr flexibel gestaltete Finanzierung, die ihm größtmögliche Freiheit lässt und damit das Erreichen der sozialen Wirkung nicht erdrückt“, fasst Dienst zusammen. BonVenture erhält eine Zielrendite zwischen vier und sechs Prozent, das ist der übliche Satz im Bereich sozialunternehmerischer Finanzierungen. Typischerweise beteiligen sich maximal drei Investoren mit einer Mindestsumme von 50.000 Euro an einem Unternehmen. Entweder geben sie ein klassisches Darlehen, gehen eine (stille) Beteiligung ein oder stellen Mezzanine-Kapital zur Verfügung. Letzten Endes aber gilt: Alles ist möglich, so lange es Sinn macht. Die Finanzierungsagentur verfügt auch über Pro Bono Ressourcen für die Rechtsberatung, so dass „wir es schaffen, die individuellen Finanzierungsverträge recht schnell abzubilden“, erzählt Ellinor Dienst. Auch bei Gregor Demblin hatten sich zunächst drei Impact Investoren zur Finanzierung bereit erklärt. Aber: „Drei Investoren ziehen ein aufwändigeres Reporting nach sich als ein einziger. Außerdem ist BonVenture natürlich ein großer Name und wir waren sehr stolz, dass sie uns finanzieren und uns so Zugang zu ihrem großen Unternehmensnetzwerk in Deutschland geben wollten“, so der Unternehmer.

Als Herausforderung erweist es sich für die Finanzierungsagentur derzeit, neue Kapitalgeber zu finden. „Mit den Renditeerwartungen im klassischen Wagnisfinanzierungsbereich können wir natürlich nicht mithalten – obwohl das Risiko ähnlich groß ist. Unsere Investoren brauchen darum eine besondere Einstellung. Sie sehen das als SpendePlus – als Möglichkeit, in erster Linie eine soziale Wirkung zu unterstützen und im besten Fall auch noch eine positive Rendite zu erzielen“, erzählt Ellinor Dienst.Ein Jahr hat es gedauert, bis Gregor Demblin seine Finanzierung in der Tasche hatte. Jetzt kann sein Unternehmen wachsen. Aus den ersten Gesprächen mit potenziellen Kunden haben sich für ihn bisher acht Beratungsaufträge großer Unternehmen ergeben, so dass der Sozialunternehmer mit seinen Umsätzen für das Jahr 2015 schon klar über Plan ist. „Das ist ein toller Erfolg. Ich denke, wir werden unsere Beratungsleistung im nächsten Jahr auch in Deutschland anbieten.“

Dieser Artikel wurde von Yvonne Döbler verfasst und erschien ursprünglich in Private Wealth, Heft 3, Sept 2015.


Weiterführende Informationen:

Finanzierungsagentur für Social Entrepreneurship (FASE)

Ashoka Deutschland

Ashoka Fellow Gregor Demblin